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„Wir beschäftigen auch Behinderte“ – Neurodiversität am Arbeitsplatz ist KEIN Sozialprojekt

    Der momentaner Stand in den Köpfen über „Neurodiversität am Arbeitsplatz“

    Kürzlich fragte ich eine C-Level-Person eines grossen Technologieunternehmens, ob sie sich schon mit Neurodiversität am Arbeitsplatz beschäftigten. Die Antwort kam prompt:

    „Ja, wir haben auch Behinderte bei uns.“

    Ich war kurz sprachlos. Nicht, weil ich Arroganz gespürt hätte. Im Gegenteil, das Problm ist, der Satz war völlig selbstverständlich gemeint.

    Denn wer Neurodiversität automatisch mit „Behinderung“ gleichsetzt, hat das Thema noch gar nicht verstanden. Es geht dabei nicht um Mitleid oder Sonderlösungen, sondern um Potenzial und Strukturbau – also darum, wie Arbeit so gestaltet wird, dass unterschiedliche Menschen darin aufblühen können.

    Der Denkfehler mit der besten Absicht

    Auch Führungskräfte, die Vielfalt grundsätzlich befürworten, können nicht inklusiv handeln, wenn sie in alten Kategorien denken: „behindert“ oder „gesund“, „normal“ oder „anders“.

    Diese Denkmuster stammen aus einer Zeit, in der Leistung linear gemessen wurde.
    Belastbar galt, wer sich gut anpasste. Wer Pausen brauchte oder anders dachte, galt als schwierig.

    Doch in modernen Wissensberufen – besonders im Ingenieurwesen, in Technik, Design und Wissenschaft – funktioniert dieses Schwarz-Weiss-Denken längst nicht mehr. Hier entstehen ständig Zwischentöne und Schattierungen, die man nur sieht, wenn man hinschaut.

    In diesen Bereichen arbeiten Menschen, die komplex denken, ungewöhnliche Muster erkennen, tief in Systeme eintauchen können, zu Hyperfokus neigen und dabei schneller überreizt oder erschöpft sind, wenn Strukturen nicht zu ihrem Denktempo passen.
    Das ist allerdings keine Krankheit.

    Das ist Vielfalt im Nervensystem, so selbstverständlich wie genetische Vielfalt in der Natur.
    Selbst bei Tieren wie Pferden hat man solche Unterschiede in Reizverarbeitung und Temperament nachgewiesen. Warum also nicht auch bei uns Menschen?

    Was Neurodiversität wirklich bedeutet

    Neurodiversität beschreibt die natürliche Vielfalt neurologischer Funktionsweisen:
    AD(H)S, Autismus, Hochsensibilität, Dyslexie und viele Kombinationen davon.

    Diese Unterschiede prägen, wie Menschen wahrnehmen, Informationen verarbeiten und bewerten, sich fokussieren, kommunizieren oder regenerieren. Sie betreffen die Konzentration, Energiehaushalt, Empathie und Problemlösungsverhalten.

    Studien zeigen, dass neurodivergente Denkweisen in MINT- und Ingenieurberufen überdurchschnittlich häufig vorkommen etwa Autismus oder ADHS.
    Neurodiversität ist also längst da. Die Frage ist nur, ob sie gesehen, geduldet oder genutzt wird.

    Der echte Fachkräftemangel: Strukturintelligenz

    Oft heisst es: „Wir finden keine Fachkräfte.“ Doch das stimmt nur zur Hälfte. In Wahrheit fehlen nicht Menschen, sondern die entsprechenden Strukturen, die Menschen halten.

    Viele Ingenieur:innen und Fachkräfte mit neurodivergenten Profilen verlassen ihre Unternehmen, weil sie ihre Fähigkeiten nicht wirksam einsetzen können. Ihr Bleibe scheitert nicht aus Mangel an Loyalität, sondern sie gehen in Selbstschutz.

    Reizüberflutung (z. B. ständige Meetings in grellem Kunstlicht), zu wenig Sinnkopplung, zu wenig Resonanz oder Tiefe – all das verstärkt den ohnehin hohen Termindruck.

    Unternehmen, die diese Dynamiken verstehen, gewinnen doppelt:
    Sie halten erfahrene Mitarbeitende und erschliessen ein riesiges Reservoir an Kreativität, Präzision und Innovationskraft. Oder einfacher gesagt: Wer Menschen hält, gewinnt Zukunft.

    Von Inklusion zu Investition

    Neurodiversität ist kein soziales Wohlfühlprojekt, sondern ein Zukunftsthema – kulturell, ökonomisch, strategisch… und menschlich. Wer Vielfalt auf „Integration“ reduziert, verpasst den nächsten entscheidenden Entwicklungsschritt: dein Sprung von Inklusion zu Investition.

    Denn wer unterschiedliche Denkstile zulässt,
    – vermeidet Gruppendenken,
    – stärkt Problemlösungsfähigkeit
    – und schafft Strukturen, die widerstandsfähiger, robuster sind als Einzelpersonen je sein können. Teams mit einer gesunden Mischung lösen Probleme schneller, denken weiter, arbeiten nachhaltiger und bleiben länger stabil.

    Das gelingt nur, wenn Unternehmen bewusst investieren:
    • in Wissen über unterschiedliche Arbeitsweisen.
    • in Führung, die neurokompatibel ist.
    • in Selbstführung bei allen Beteiligten, um die Eigenheiten zu sehen und schätzen zu lernen.

    Warum das Thema persönlich wird

    Viele meiner Gesprächspartner:innen und Klient:innen aus Technik, Wissenschaft und Gestaltung beschreiben denselben inneren Konflikt: Sie sind analytisch stark, kreativ, systemisch denkend – und gleichzeitig oft permanent überlastet, brennen auf Hochtouren, sie müssen regelmössig bewusst abschalten.

    Sie spüren allerdings: Das Problem liegt nicht in ihnen, sondern in den herrschenden Systemen, die mehr oder weniger keine echte Vielfalt zulassen. Nur HR-Programme können daran wenig ändern. Nur wer sich selbst versteht, kann Strukturen nachhaltig verändern. Deshalb beginnt jede nachhaltige Inklusion mit dem Erlernen der Selbstführung.

    Zukunftsfähig wird, wer Vielfalt wirklich versteht

    Neurodiversität bedeutet nicht, dass alle gleich behandelt werden sollen. Eher bedeutet sie, dass alle unterschiedlich arbeiten dürfen, ohne dass ihre Leistung darunter leidet.

    Zukunftsfähige Organisationen erkennen, dass Menschen nicht auf Gleichheit reagieren, sondern auf Menschlichkeit und Kohärenz: wenn Denken, Fühlen und Handeln zusammenpassen dürfen, entsteht Energie und kein Widerstand.

    Und genau da liegt die grösste Chance – für Unternehmen und für Einzelpersonen, die bereit sind, in sich zu investieren: in Selbstwahrnehmung, Energiehaushalt, mentale Nachhaltigkeit und Kommunikation.

    Warum Sprache entscheidend ist

    Worte schaffen die Realitäten. Wer immer über Reizempfindlichkeit oder Überforderung oder emotionale Labilität spricht, blockiert Potentiale. Darum ist die Einführung einer neuen Sprache zielführend, die professionalisiert und dessen Fokus auf die neue Möglichkeiten gelegt sind.

    Denn was wir „zu viel“ nennen ist oft nur eine grössere Wahrnehmung, tiefere Bewusstsein, keine Schwäche. Diese können mit ein bisschen Kreativität als Mehrwerte benannt werden. Unser Hirn ist sehr lernfähig, glaubt schnell de Wörtern und passt seine Denkweise bald an.

    Lawine lauert in der Literatur

    Viele Texte denken noch im Mangel. Wer sich durch due aktuelle Literatur über Neurosensitivität liest. begegnet oft die Wörter verletzlich, erschöpft, wenig Filtre, gereizt, usw. Die Botschaft lauert zwischen den Zeilen , du bist anders und das ist schwierig.

    Das ist die alte Sprache des Mangels und des Defektes. Empfindsamkeit wird als Fehlstelle im System gedeutet.

    Feine Stimmungen oder Düfte zu spüren, zusammenhänge früher zu erkennen ist eingestuft als „unordentlich“ und nicht als Vorteil. Es ist eine andere Art, die Wirklichkeit zu lesen und wie alles, hat das auch zwei Seiten.

    Solange die Literatur das Phänomen durch die Linse des Defizites beschreib und damit unbewusst die Meinungen befestigt, wird sie die Potenziale nicht erfassen. Die Denkweise und die Grammatik hat die starke Kraft, diese vorteilhafte Eigenschaften als Wahrnehmungsvorteile zu bemerken.

    Vom Defizit zum Designprinzip

    Viele Neurosensitive machen regelmässig auch wertschöpfende Erfahrungen mit ihren besonderen Gaben. Es ist eine Fähigkeit, das auch im beruflichen Umfeld gefeiert und strategisch eingesetzt werden sollte.

    .Vergessen wir die Vorprägungen und öffnen wir uns der neuen Dingen…. zeitgemäss wird sich herausstellen, die Entwicklung gewinnt an Geschwindigkeit und die Menschheit muss die Kontrolle und Abwägungen übernehmen. Während KI macht sein Ding, können die Grenzen verschwinden und nur weil es möglich ist, halten wir vielleicht Dinge gut, anstatt den Urteilsblick zu behalten.

    Neurosensitive Menschen haben den grossen Vorteil, sie gehen auf den Grund und kritisieren etwas bis es logisch ist, aber das tun sie in dem Sinn der positiven und logischen Allgemeinguts und gestalten damit die komplexe Zukunft, bauen Systeme, die der Zeitqualität entsprechen.

    Neurosensitive sind am Arbeitsplatz auch Signalverstärkend, sie deuten Schwingungen und wo andere nur Daten sehen, nehmen sie sensible Muster wahr. Diese Qualität wird in klassischen Defizittexten selten beschrieben, weil sie sich schwer messen lässt. Doch ist sie in Ergebnissen sichtbar, wirksam in Teams, in Innovation, in der Kommunikation.

    So fängst du in kleinen Schritten an

    Ein neurodiverser Arbeitsplatz entsteht nicht auf Befehl und durch Programme. Es braucht Offenheit und Zukunftssicht, und eine Prise Wunsch, dass Arbeit in der Zukunft menschlicher und auch gerechter wird.

    1. Verstehe, dass Neurosensitivität kein Sonderthema ist.
    2. Definiere dir „Leistung“
    3. Beobachte Wahrnehmungsunterschiede, welche deutliche Typen kannst du erkennen?
    4. Führe Gespräche über Arbeitsweisen. Sei neugierig auf Unterschiede.
    5. Achte auf deine Sprache, sehe Unterschiede als Bereicherung und drücke das in deinen Worten aus.

    Neurodiversität ist also weder ein Randthema noch ein Modethema. Sie ist real, unabhängig davon, ob wir das sehen wollen oder lieber verdrängen.

    Die Unternehmenskultur ist ein Spiegel dafür, wie wir Leistung, Normalität und Zusammenarbeit verstehen. Die Frage ist also nicht, ob Unternehmen neurodivergente Menschen beschäftigen, sondern ob wir Strukturen schaffen, in denen diese Menschen bleiben, und aufblühen.

    Denn Vielfalt ist die intelligenteste Form von Zukunft.



    Wenn du Strukturen schaffen willst, in denen Unterschiedlichkeit Leistung fördert, starte bei dir selbst. Nehme mit mir Kontakt auf, Reserviere ein Kennenlerngespräch.

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